Zukunftsforum

„Wehrhafte Demokratie? Antisemitismus und seine Auswirkungen in der Region“

Mit großer Besorgnis nimmt der Vorstand der Zukunftsakademie Hersfeld-Rotenburg e. V. die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland und der Welt wahr. Klimawandel, der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, Migration und der barbarische Überfall der Hamas am 07. Oktober 2023 auf Israel und in der Folge der Gaza-Krieg bewirken gesellschaftliche Verwerfungen, auch in unserer Region. Populisten heizen mit spalterischen Parolen die Stimmung an. Rechtsextremistische Phantasien der Re-Migration (Unwort des Jahres 2024) werden in die Öffentlichkeit und in die Parlamente getragen. Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Hass durchdringen das gesellschaftliche Miteinander. Positiv sind die großen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und für Demokratie und Weltoffenheit, so auch im Landkreis Hersfeld-Rotenburg. Das ist ermutigend.


Auch wir als Zukunftsakademie Hersfeld-Rotenburg e.V. wollen dazu einen Beitrag leisten, aufklärerisch wirken und über Ursachen, Wirkungen und Lösungen in den Dialog treten.

Aus diesem Grund hat die Zukunftsakademie am Freitag, den 15.03.2023 ein Zukunftsforum unter dem Titel

„Wehrhafte Demokratie? Antisemitismus und seine Auswirkungen in der Region.“

im Wortreich Bad Hersfeld durchgeführt. Die ca. 80 TeilnehmerInnen erlebten einen interessanten Einführungsvortrag des Politikwissenschaftlers Kai E. Schubert aus Berlin unter dem Titel: "Wehrhafte Demokratie? Auswirkungen verschiedener Facetten des Antisemitismus".

In der anschließenden spannenden Podiumsdiskussion konnte das Thema in einer regionalen Perspektive vertieft werden.

Frau Ilana Katz, Sara-Nussbaum Zentrum Kassel; Herr Karsten Vollmar, Schulleiter Gesamtschule Schenklengsfeld, Herr Heinrich Nuhn, Historiker Rotenburg; Herr Ijaz Janjua, Imam und Theologe der Ahmadiyya Jamaat KdöR; Herr Kai E. Schubert, Politikwissenschaftler Gießen, Berlin, Würzburg

Das Podium v.l.: Herr Ijaz Janjua, Imam und Theologe der Ahmadiyya Jamaat KdöR; Frau Ilana Katz, Sara-Nussbaum Zentrum Kassel; Herr Karsten Vollmar, Moderator der Veranstaltung Herr Holk Freytag, Dramaturg, Regisseur und ehemaliger Intendant der Bad Hersfelder Festspiele; Herr Kai E. Schubert, Politikwissenschaftler Gießen, Berlin, Würzburg; Schulleiter Gesamtschule Schenklengsfeld und Herr Dr. Heinrich Nuhn, Historiker Rotenburg

Zu den Folien des Vortrags von Kai E. Schubert, Politikwissenschaftler Gießen: hier

Ab sofort ist eine Aufzeichnung der Veranstaltung auf der Plattform youtube verfügbar: Link

Neben der Aufzeichung der gesamten Veranstaltung sind drei Einzelbeiträge verfügbar:

Video mit Hartwick Oswald, Vorsitzender der Zukunftsakademie:
In diesem Video wird die Zielsetzung der Zukunftsakademie erläutert und speziell auch Fragestellungen eingegangen, die sich für die Veranstaltungsreihe „ Wehrhafte Demokratie?“ ergeben. Der Schutz der Demokratie ist keine Kurzstreckenlauf, sondern ein Marathon.

Video mit Kai E. Schubert:
In dem 25 minütigem Referat von Kai E. Schubert, Politikwissenschaftler Uni Gießen, wird ein Einführung in den zeitgenössischen Antisemitismus gegeben. Nicht nur seit dem Gaza-Krieg steigt die Anzahl der Angriffe auf jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger und auf jüdische Einrichtungen in Deutschland und Europa. Facetten dieses zeitgenössischen Antisemitismus werden als Auftakt für das Podiumsgespräch dargestellt.

Video vom Podiumsgespräch:
Die Facetten des zeitgenössischen Antisemitismus, Rechtsextremismus und Rassismus werden durch verschiedene Perspektiven, Herkunft und Erfahrungen dargestellt und erörtert.

 

 

Bericht zum Forum

Antisemitismus als Bedrohung der Demokratie


Von Ute Janßen


Bad Hersfeld. Antisemitismus ist ein plakatives Beispiel für eine Haltung, die mit der Demokratie nur schwer zu vereinbaren sei. Es gelte, das Bewusstsein für Politik und Demokratie in allen Bevölkerungsgruppen zu stärken und klarzustellen, dass die Gesellschaft zusammenstehen müsse. Dieses Fazit zogen die Teilnehmenden der Podiumsdiskussion „Wehrhafte Demokratie? Antisemitismus und seine Auswirkungen in der Region“, zu der die Zukunftsakademie ins Museum Wortreich eingeladen hatte.


Mit dem Politikwissenschaftler Kai E. Schubert, der an den Universitäten Gießen und Würzburg tätig ist, hatte die Zukunftsakademie einen ausgewiesenen Experten gewinnen können, dessen Impulsreferat die Veranstaltung einleitete. Schubert betonte, dass es sich beim Hamas-Überfall vom 7. Oktober um ein genozidales Massaker an Israelis gehandelt habe, das zugleich eine zutiefst existenzielle Erschütterung für Jüdinnen und Juden weltweit sei. Der viel diskutierte „neue Antisemitismus“ sei nicht erst jetzt in Deutschland angekommen. Er werde mindestens seit den 2000er-Jahren immer wieder thematisiert und auch der so genannte „alte Antisemitismus“ wirke nach wie vor fort. Zunehmend fokussiere sich der Antisemitismus auf Israel und komme sowohl in der Linken als auch im rechten Diskurs vor, wobei letzterer behaupte, dass Antisemitismus vor allem ein „importiertes“ Phänomen sei, das sich angeblich mithilfe von Abschiebungen beseitigen lasse. Doch Antisemitismus habe seine Wurzeln auch in Deutschland, wo er eng mit der Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte verbunden sei.


Im Podiumsgespräch wies der Rotenburger Historiker Dr. Heinrich Nuhn darauf hin, dass der Antisemitismus gerade in Kurhessen auf fruchtbaren Boden gefallen sei. Das lasse sich nicht nur am Erfolg der antisemitischen Volkspartei im 19. Jahrhundert deutlich zeigen. Nuhn betonte, dass die Auseinandersetzung mit der regionalen jüdischen Geschichte insbesondere für junge Menschen eine große Chance sei, Vorurteile durch Wissenserwerb abzubauen. Karsten Vollmar, Leiter der Gesamtschule Schenklengsfeld und Fachberater für politische Bildung beim Staatlichen Schulamt in Bebra, betonte, dass das Thema Antisemitismus auch in den Schulen unserer Region Thema sei. Vollmar stellte klar, dass es diesbezüglich keine Toleranz gebe und dass es gelte, Zivilcourage und Haltung zu zeigen und mit Herz und Hand an authentischen Orten Lernmöglichkeiten zu schaffen. Der Imam und Theologe von der Ahmadiyya-Gemeinschaft in Fulda, Ijaz Janjua machte deutlich, dass der Islam an sich eine friedliebende Religion sei, die mit Antisemitismus nicht vereinbar sei. Den Terrorangriff der Hamas bezeichnete Janjua als unislamisch. Ilana Katz vom Sara-Nussbaum-Zentrum in Kassel konstatierte, dass Antisemitismus ist nicht nur Gefahr für Juden sei, sondern für die gesamte Gesellschaft und die Demokratie. An einem aktuellen Beispiel zeigte sie eindrücklich, dass Antisemitismus kein abstraktes Gefahrenszenario sei, sondern alltägliche Realität für Jüdinnen und Juden. Auch der Moderator Holk Freytag konnte mit persönlichen Erfahrungen sowohl in Israel als auch im arabischen Raum aufwarten. Er kritisierte insbesondere das Schweigen des Kulturbetriebs zum Angriff der Hamas auf Israel.


Die aus der Diskussion resultierenden Fragen, wie man die Demokratie vor Verfassungsfeinden schützen kann und wie man die demokratischen Institutionen und die Schulen vor deren Zugriff bewahren kann, spitzte in seinem Schlusswort der Vorsitzende der Zukunftsakademie Hartwick Oswald zu. Der Zivilgesellschaft komme hier eine zentrale Bedeutung zu und dazu leiste die Zukunftsakademie gerne ihren Beitrag.

 

Eröffnungsrede

Die Veranstaltung wurde durch den Vorsitzenden der Zukunftsakademie, Hartwick Oswald mit dem folgenden Redebeitrag eröffnet:

Liebe Freundinnen und Freunde der Zukunftsakademie, liebe Gäste,

vor ca. 12 Jahren hat sich die Zukunftsakademie Hersfeld-Rotenburg mit folgender Zielstellung gegründet:

  • als Forum für einen interdisziplinären Dialog und Wissenstransfer
  • Diskussionen zu Themen der gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit und Austausch unterschiedlicher Perspektiven.

Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sowie der barbarische Überfall der Hamas am 07. Oktober 2023 auf Israel sind belastend und wirken spalterisch in unsere Gesellschaft ein. Sie geben demokratiefeindlichen Populisten eine Plattform.  Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Hass durchdringen das gesellschaftliche Miteinander.

Wir wollen in einer Veranstaltungsreihe die Besorgnisse und das Unbehagen vieler Bürgerinnen und Bürger, in der Familie, im Freundeskreis und am Arbeitsplatz über die weitere gesellschaftliche Entwicklung aufgreifen und demokratiefördernde Beiträge leisten.

Mit der heutigen Veranstaltung wollen wir den aufflammenden Antisemitismus und seine Auswirkungen auf eine demokratische Entwicklung  aus verschiedenen Perspektiven diskutieren. Was bedeutet in diesem Zusammenhang

  • Wehrhafte Demokratie
  • Ist unsere Demokratie wehrhaft aufgrund der Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Machtübernahme in den 30igern Jahren des vorigen Jahrhunderts?
  • Sind wir heute bereit und imstande, anti-demokratische Bestrebungen abzuwehren?
  • Was bedeutet, die Demokratie braucht Demokraten?
  • Und welche Auswirkungen haben die verschiedenen Facetten des Antisemitismus auf unsere Demokratie?
  • Wie muss, kann sie sich gegen Feinde schützen?

Dazu haben wir mit dem Politikwissenschaftler Kai Schubert einen renommierten Antisemitismusforscher gewinnen können, der für uns in seinem Vortrag auf Ursachen und Wirkungsweisen von Antisemitismus erklärend eingehen wird.

Im Anschluss des Vortrages wird Herr Holk Freytag, Dramaturg, Regisseur und ehemaliger Intendant der Bad Hersfelder Festspiele das Podium vorstellen und durch die Diskussion führen.

Ich wünsche uns allen eine interessante Veranstaltung, eine offene und kritische Diskussion zur Thematik unter Würdigung des Respektes und der Wertschätzung der Diskutanten.

 

 

Konsenspunkte von Podiumsteilnehmer:Innen und Publikum

 

Vorgetragen von Herrn Holk Freytag zum Ende der Veranstaltung:

  1. Das Existenzrecht Israels und das damit verbundene Recht auf Verteidigung stehen nicht in Frage.

  2. Die hier Versammelten befürworten eine Zweistaatenlösung, also das gleichberechtigte Nebeneinander von Israel und Palästina.

  3. Die hier Versammelten fordern die Hamas auf, die am 7. Oktober in Geiselhaft genommenen Menschen sofort freizulassen und die Waffen niederzulegen.

  4. Die hier Versammelten fordern Israel auf, nach Freilassung der Geiseln alle erdenklichen humanitären Hilfen für Gaza zu ermöglichen.

  5. Die hier Versammelten treten dafür ein, Jüdinnen und Juden in der ganzen Welt nicht für die Politik der derzeitigen israelischen Regierung unter der Führung Netanjahu verantwortlich zu machen.